Im April 2017 fuhren wir mit dem Auto durch den Westen Australiens, lebten nur für den Moment und fühlten uns grenzenlos frei. Bis die Landschaft vor dem Fenster nicht mehr wechselte, die Nächte kalt wurden, die Matratze hart und die Stille einen Haufen negativer Gedanken mit sich brachte. Über den wahrscheinlich anstrengendsten und besten Monat unserer Reise: weil er uns half, Emotionen zuzulassen und voranzuschreiten. Plus: Tipps, wie wir das Roadtrip-Gefühl auch in den Alltag bringen können.
Beseelt schaute ich in den Campingkocher, in dem das Wasser auch nach zwanzig Minuten noch nicht kochen wollte – und mir das ganz egal war.
Weil es keinen Stress mehr gab, keinen Druck, keine Zeit, nur den Augenblick, in dem ich an meinem Rotwein aus dem Plastikkelch nippelte und mir dabei unglaublich wild vorkam.
Ich ließ den Blick in die Ferne schweifen, atmete tief die natürlichste Luft ein und führte mega philosophische Gespräche.
„Nie wieder anders möchte ich leben, lass einen Camper kaufen, umbauen und unsere Wohnung kündigen“, träumte ich vor mich hin.
„Jaaaa, das machen wir. Super Idee“, antwortete er.
(Er hatte vorhin herausgefunden, wie man einen Campingkocher auch bei Windstärke 1.000 anmacht und war superstolz).
„Und überhaupt, wie praktisch ist es bitte, alles was man zum Leben braucht, die ganze Zeit bei sich zu haben?“, sinnierte ich weiter.
Na, superpraktisch!
Wir lachten und prosteten. Und freuten uns bestialisch über unser Leben.
Zehn Tage später war alles ziemlich ätzend
Warum?
Wegen allem.
Wegen der steinharten Gymnastikmattenmatratze, die sich in unseren Rücken bohrte, weil wir zu geizig waren, uns eine bequeme zu kaufen.
Wegen der bitterkalten Nächte, in denen wir alles übereinander anzogen und trotzdem froren wie Sau.
Wegen des Plastikgeschirrs, das mittlerweile nach allem schmeckte, was man von ihm gegessen oder aus ihm getrunken hatte – gleichzeitig.
Wegen Abwaschen mit kleinen Pfützen Wasser – weil Kanister fast leer – und den Fingern, die stocksteif gefroren waren. (Fand ich am Anfang total lustig und naturverbunden.)
Wegen dem Immer-weiter-fahren-und-nie-ankommen.
Und wegen der negativen Gedanken und Gefühlen, die in uns hochkamen und von denen wir uns nicht ablenken konnten.
Und dann: Streit.
Und dann: Abbruch?
Im Gegenteil!
Irgendwann ließen wir unsere Emotionen endlich zu, setzten uns konstruktiv mit dem auseinander, was in uns wühlte, das Heimweh, die Zukunftsangst – und sahen zu, wie die bedrückenden Gefühle irgendwann verpufften.
Was blieb war ein befreites, starkes Herz, viel Mut im Rücken und unzählige Ideen im Kopf. ♥
Emotionen zulassen: Roadtrippen (in Westaustralien) ist ein bisschen wie Pilgern
Es kann also ziemlich großartig sein, mitten in der Natur zu leben. In einem hübschen Wald zu campen, wenn die Sonne durch die Baumkronen bricht und die Vögel zwitschern.
Oder wenn das erste, was man morgens durch das Rückfenster sieht, das Meer ist.
Oder wenn sich der Liebste eng eingemummelt an einen schmiegt und man sich in diesem Moment an das intensive Gespräch vom Abend erinnert, das noch einmal mehr zusammengeschweißt hat.
Doch das ist nicht alles.
Ein Roadtrip kann wie eine Pilgerreise sein. Und das heißt: anstrengend.
Man liebt oder und man hasst es.
Doch am Ende und im Nachhinein, da liebt man es umso mehr, weil die Zeit so viel in einem bewegt, wie es wochenlanges Reisen kaum schaffen kann.
Warum?
Weil man draußen lebt, meist ohne Internet; die Bücher sind ausgelesen, Laptop und Kindle sowieso längst leer.
So war es bei uns.
Wir hatten vergessen, unsere Musik in den Offline-Modus zu laden und saßen teilweise stundenlang still nebeneinander, vor uns nichts als roter Sand und Büsche. In Australien hat man nämlich oft keinen Empfang. Und damit meine ich: gar keinen; nicht mal Radio.
Dann und wann campten wir an relativ unspektakulären, und deshalb günstigen, Rastplätzen.
Manchmal ganz allein, kilometerweit nichts als Straßen oder Wüste.
Viel Wüste.
In diesen Tagen waren wir uns selbst in gewisser Weise ausgeliefert, fühlten dadurch Emotionen und deren Auslöser viel stärker.
Wir konnten nicht einfach weglaufen, wollten es auch irgendwann nicht mehr, weil es so gut tat, zu reflektieren bis die Knoten platzten:
Sich noch besser kennen lernen, alte Muster hinterfragen und dem inneren Kritiker auf die Spur kommen.
Mal waren wir voller Freude, zwischendurch unglaublich wütend, und traurig, und dann wieder voller Glück (am Ende fast immer voller Glück).
Und irgendwann fühlten wir uns so viel stärker als wir es jemals für möglich gehalten hätten.
Dieser Roadtrip hat uns gezeigt: Nur wenn wir unsere Emotionen zulassen und sie verstehen, können wir loslassen und weitergehen.
Und: Es kann nicht immer alles rosarot sein, besonders nicht beim längeren Reisen (und auch nicht im Alltag).
Das glauben wir nur leider viel zu oft und wollen uns deshalb nicht schlecht fühlen, verdrängen, kompensieren. Dabei können wir gerade aus den herausfordernden Etappen des Lebens viel lernen, wenn wir zuhören, was unser Herz uns sagen will.
→Mehr: Tief überwinden und stärker hervorgehen
Und so war es ok, das Auto abzugeben.
Wehmütig waren wir trotzdem irgendwie, genossen die letzte Nacht auf der Matratze, an die sich der Rücken gewöhnt hatte, und freuten uns gleichzeitig wahnsinnig auf unser warmes Bett in Fremantle – und unseren Mai auf Bali.
Einem Monat, in dem wir genau da weitermachten, wo wir angefangen hatten: Unseren Weg zu gehen.
Emotionen zulassen: Wie wir das Roadtrip-Gefühl mehr in den Alltag bringen können
1. Langsam machen // Eins nach dem anderen
Wir sind eine Multitasking-Gesellschaft, eine Generation, die ständig läuft, Punkte abhaken will und doch nie fertig wird.
Wenn wir ein To Do beendet haben, wartet das nächste.
Und der Moment? Der schwebt vorbei, so wie viele tausende mit ihm.
Dass dieser vergangen ist, ist uns kaum bewusst. Manchmal wundern wir uns noch, warum die Zeit so schnell vergeht. Manchmal merken wir aber nur eins: Stress. Oder Erschöpfung. Vielleicht auch beides.
Für mich ist in den letzten Jahren Langsam das bessere Schnell geworden.
Auch wenn es immer noch andauert, von alten Gewohnheiten loszulassen. Tempo herauszunehmen, erfordert Übung. Besonders, wenn wir uns viel über Leistung definieren bzw. definiert haben.
Jetzt, nach unserem Roadtrip, versuche ich mir ganz bewusst mehr Zeit zu lassen.
Für alles. Im Alltag, im Job und auf Reisen.
Wahrzunehmen, wenn ich wieder in die ICH-MUSS-DOCH-ABER-GANZ-VIEL-SCHAFFEN-MÜHLE gerate.
Dann atme ich tief durch, konzentriere mich auf ein Detail, das ich sehe und hole mich zurück ins Jetzt.
Ich erlaube mir, mich auf das zu konzentrieren, was ich gerade tue und all die anderen Pläne, die in meinem Kopf umherschwirren, zu verschieben.
Denn sonst strudel ich am Augenblick vorbei, bin zehn Schritte weiter oder drei zurück und habe am Ende das Gefühl, unter Druck zu stehen. Und dieser Druck entsteht einzig und allein in mir.
Ich kann zwar nicht alle Termine absagen und mich jeglicher Verantwortung entziehen, doch ich kann mich dafür entscheiden, eins nach dem anderen zu tun.
Ich kann mich dafür entscheiden, eben heute nicht den Hausputz zu machen, drei Fotoalben zu kleben oder das Banana Bread zu backen. Also Dinge zu tun, die ich mir selbst aufbürde, von denen mir aber kein Bein abstirbt, wenn ich sie nicht erledige.
Nicht jetzt, nicht heute, und vor allem nicht alle auf einmal.
2. Multimediaspace
Im Alltag sind wir ziemlich viel unterwegs, abgelenkt, auf die Arbeit fokussiert.
Kommen wir nach Hause, wartet oft der Haushalt oder: Netflix, Smartphone, Fernseher …
Die letzten Punkte verbuchen wir unter „Entspannung“.
Faktisch bringen sie das Gegenteil. Sie halten unseren Kopf in Atem, fressen unsere Kreativität, unsere Zeit und führen uns ganz weit weg von dem, was uns Entspannung und innere Freiheit schenkt: „Emotionen zulassen“.
Nichts spricht gegen einen schönen Kinoabend, den Tatort am Sonntag, die Lieblingsserie am Mittwoch oder eine halbe Stunde Social-Update am Tag.
Mir geht es um das Maßlose, um das, was uns vom Hier und Jetzt wegbringt, von dem was uns gut tut.
Die Wochen in Australien, ganz ohne Internet, haben mich zum ersten Mal seit langer, langer Zeit etwas Altbekanntes aus der Kindheit spüren lassen: Langeweile.
Nach ihr kamen irgendwann die vielen Gefühle, die nun endlich Platz hatten und einfach weiterziehen durften – und Selbstbewusstsein, Ideen und Tatendrang freilegten.
Huch, so geht das?
Jep!
Im Alltag hilft es, sich Regeln zu setzen, um nicht immer wieder im Moment der Langeweile, Instagram & Co. anzuschmeißen, sondern Platz zu schaffen, für Hobbies, intensive Gespräche, Müßiggang und alles, was glücklich macht.
Multimedia-Space-Beispiele:
- Pro Tag zwei knappe Zeiträume für das Smartphone einrichten: So verhindern wir, dass wir uns ständig selbst unterbrechen, nicht ganz bei der Sache sind, egal was wir tun, und die Zeit nur so verfliegt, weil wir uns vor dem Handy verlieren.
- Am Wochenende einen elektronische-Medien-freien Tag einlegen: Samstags ist für mich der perfekte Tag, um nur mit dem Flow zu gehen – und das heißt bei mir: Ausschlafen, ausgiebig frühstücken und dann das Freiheitsgefühl spüren, das kommt, weil der ganze Tag vor mir liegt. Ich frage mich dann: „Worauf habe ich jetzt los? Nicht heute, nicht nachher, sondern JETZT.“ Und dann mache ich das. Samstags nutze ich das Smartphone ausschließlich, um ggf. Treffen mit Freunden zu vereinbaren. Alle elektronischen Medien sind sonst tabu, und auch anderweitige To Do Listen – es sei denn, ich hab grad Bock durchzusaugen, oder einen Einkauf zu erledigen, um dann was Geiles zu kochen. Doch Obacht: Auch das erfordert Training, mal kommt das Freiheitsgefühl und der Flow, mal spüre ich nur Unruhe und Druck. Und genau dann versuche ich, herauszufinden, warum ich mich selbst stressen. Was hindert mich am Loslassen? Und könnte ich versuchen, nur heute, ganz langsam zu gehen?
- Ab 21 Uhr gar kein Smartphone mehr nutzen.
- Cheat-Day: Einen Abend die Woche ist Fernsehen oder Netflix erlaubt. Bei mir ist das meist sonntags mit Tee, möglichst Pizza und gaaanz viel Gemütlichkeit! 🙂
Seitdem ich stark auf meinen Handy- und Fernsehkonsum achte, bin ich total überrascht, wie viel Zeit mir zur Verfügung steht – und ich auf einmal auch den gedanklichen Raum habe, einfach in Ruhe zu backen, eine Zeitschrift zu lesen, Tagebuch zu führen oder aus dem Fenster zu starren, während die Tasse mit herb duftendem Kaffee meine Finger wärmt.
Lesetipp: Guter Text zum Thema auf dem Blog „Kea schreibt“ – Kreativität in Gefahr: Die digitale Verstopfung
3. Mehr genießen und nicht so viel planen
Die Punkte vorab bringen mich zum nächsten Roadtrip-Alltags-Tipp:
Ich versuche viel mehr zu genießen und dankbarer für die kleinen Dinge zu sein, die mir jeden Tag begegnen:
Mein Obst-Müsli-Kokos-Frühstück am Morgen, der Spaziergang ins CoWorking-Space mitsamt der steifen Hamburger Brise im Gesicht, der Feierabend-Einkauf im Biosupermarkt, das heimelige Gefühle, wenn ich nach Hause komme, die liebe Nachricht von meiner Freundin, …
Das bedeutet gleichzeitig: Wenn ich etwas nicht mehr genießen kann oder es mich sogar am Genießen hindert, dann frage ich mich, warum dies der Fall ist:
- Mag ich diese Tätigkeit nicht (mehr)?
- Wie könnte sie mir Spaß machen/oder könnte ich sie einfach sein lassen?
- Bedrücken mich vielleicht Emotionen, die ich nicht zulassen kann?
- Was brauche ich jetzt? Und wie kann ich mir das nehmen?
Zum Mehr-Genießenkönnen gehört für mich auch, weniger zu planen.
Früher habe ich alles ziemlich durchgetaktet, meine Freizeit, meinen Studien- oder Berufsalltag, meine Reisen.
Jetzt, nach diesem Jahr – und vor allem nach diesem Roadtrip – kann ich sagen, dass ich so viel besser lebe, wenn ich locker lasse und spontan bin, ohne unzuverlässig zu werden.
Wichtige Termine oder Verabredungen kommen als Erinnerung ins Handy, Arbeits-ToDos für den nächsten Tag werden in den Kalender geschrieben – und dann heißt es: Zuklappen, Schlendern und Genießen.
Dadurch befreie ich mich immer mehr von lähmenden Erwartungen, schwebe weniger in der Zukunft, habe weniger Stress, …
4. Gedanken und Emotionen aktiv zulassen
2016, im Zuge all der Veränderungen, während meines Yoga Retreats und spätestens in Australien habe ich vollends gelernt, wie wertvoll es ist, wenn man seine Gefühle nicht wegsperrt. Wie befreiter man sich fühlt, wie viel mehr bei sich selbst.
Wie kann man seine Emotionen zulassen?
Es gab einmal einen Schlüsselmoment, 2016, irgendwann als die Anspannung in mir so groß war, dass ich dachte, ich könnte all das Gefühlschaos nicht mehr ertragen.
Ich lief hin und her, vor und zurück, machte den Fernseher an, weil ich die Stille nicht aushielt, und spürte, wie ich alle möglichen Menschen anrufen wollte, nur damit sie mir helfen, mir die belastenden Gefühle vom Hals schaffen.
Sie sollten mir versprechen, dass alles gut wird.
Doch gleichzeitig wusste ich, dass niemand anderes außer ich selbst mir diese Gewissheit geben kann. Und das verstärkte die Angst, die Machtlosigkeit in mir.
Ich machte mich abhängig vom Außen.
Und dann beschloss ich, mir selbst zu helfen.
Ich setzte mich vor den Spiegel, sah mich an, atmete tief ein und aus, schloss die Augen und sagte mir, dass all meine Gefühle jetzt da sein dürfen.
Ohne Witz: Sofort fühlte ich den gewaltigen Energiebatzen, der sich in meinem Bauch auftürmte und über meine Brust hochwanderte.
Ich zwang mich, weiter dazusitzen, dem Druck nicht auszuweichen, sondern im Gegenteil: ihn freundlich zu begrüßen (Ich weiß, das klingt etwas irre. Aber es klappt!), zu lächeln, ganz tief zu atmen und der Angst zu sagen, „Alles ok, du darfst da sein. Es ist alles ganz schön anstrengend, aber du schaffst das. Da bin ich mir sicher.“
Und auf einmal spürte ich nur Leichtigkeit und ein wohliges Gefühl. Der Schwall an negativen Emotionen verschwand. Weil ich mir mit Mitgefühl begegnete, wie eine Mutter ihrem Kind.
Bei diesem Prozess hat mir z. B. die Headspace-Meditation zum Thema Pain Management und Fear geholfen.
In den Monaten danach, und vor allem auf Bali, habe ich das Zulassen weiter trainiert. Tägliches Yoga und Meditieren haben viel in mir gelöst. Ich konnte mit herausfordernden Situationen sehr erwachsen umgehen, weil ich meine Gefühle nicht wegsperrte, sondern sie da sein ließ und ihnen zuhörte.
5. Mindful and slow cooking
Gaskocher bei Wind anfeuern. Dauer: 5 Minuten.
Wasser zum Kochen bringen; 30 Minuten.
Nudeln garen. 12 Minuten.
Zweiten Topf nehmen, Zwiebeln anbraten. Dauer: 5 Minuten.
Gemüse rein und brutzeln; 10 Minuten.
Tomatenstücke zum Kochen bringen; 20 Minuten.
Fertig. 80 Minuten pro Gericht. Minimum.
Und währenddessen: Den Nudeln beim Garen zuschauen. Den Wein schmecken. Reden. Oder Träumen.
Gedanken setzen sich, Tageseindrücke werden verarbeitet und dann irgendwann wird das Essen zelebriert.
Slow Cooking at its best.
Heute kaufen wir uns Induktionsherde, um das Wasser schneller zum Kochen zu bringen. Mikrowellen, um das Essen in ein paar Minuten heiß werden zu lassen. Wir müssen Zeit sparen.
Warum eigentlich?
Das frage ich mich, als wir nach vier oder fünf Tagen Roadtrippen das erste Mal einen bezahlten Camperpark buchten. Ich freute mich wahnsinnig auf die Küchenzeile mit Herdplatten und allem pie-pa-po.
Doch das Wasser kochte viel zu schnell, parallel verbrannte das Gemüse in der Pfanne und die Mikrowelle piepte, weil der Rest vom Mittag schon dampfte. Das Essen war nach 15 Minuten fertig, und noch schneller aufgegessen.
Dann saßen wir da, hatten nicht gequatscht, den Wein nicht geschmeckt, das Essen irgendwie auch nicht. Aber viel Zeit war gespart.
Wozu?
6. Biorhythmus, hello!
Ich hasse frühes Aufstehen. Wirklich. Und glaubte fest daran, dass ich nicht dazu gemacht bin, vor 7:30 Uhr aus den Federn zu kriechen und niemals vor 22 Uhr schlafen kann. HA!
Auf dem Roadtrip und während unserer Reise im Herbst auf Bali gingen wir nach dem Abendessen einfach ins Bett, manchmal schon um 21 Uhr. Und manchmal schaffte ich es nicht einmal mehr, zwei Seiten zu lesen. (Normalerweise finde ich kein Ende.)
Oft wachte ich zum Sonnenuntergang gegen sechs Uhr auf und fühlte mich wach und ausgeruht.
WHOAT? Das ist möglich, fragen sich die Morgenmuffler unter euch? SI!
ABER.
Ich lüge, wenn ich sage, dass ich auf dem Roadtrip den erholsamsten Schlaf hatte.^^ Zu kalt, zu viel Gedanken- und Gefühls-Wirrwarr.
Doch auf Bali war es so. Und das lag vor allem daran, dass wir fast jeden Abend 90 Minuten Yoga machten, uns im Anschluss viel Zeit beim gesunden Essen ließen, keinen Alkohol tranken, kaum jemanden trafen und unser Kopf und Körper später am Abend schlichtweg nichts mehr zu tun hatte.
ABER.
Wie ein paar Zeilen vorher beschrieben, plädiere ich fürs Genießen. Dieses Leben war für ein paar Wochen auf Bali genau das Richtige. Ich brauchte diese Phase, um das Jahr sacken zu lassen, mich zu ordnen und zu spüren, wie es weitergehen sollte.
Hand aufs Herz: Auf Dauer wäre ich so wohl sozial vereinsamt.
Zurück in Deutschland genieße ich deshalb all das, was ich an meinem Zuhause liebe:
Stundenlanges Freundetreffen am Abend, nur jeden zweiten Tag zum Yoga gehen, am Wochenende ausschlafen bis in die Puppen, Couch-Marathons am Sonntag, …
Und doch: Ich merke deutlich, wie mich Alkohol schlechter schlafen lässt und sich meine Laune am nächsten Tag eher auf Talfahrt befindet, wie weniger Treffen mehr sind, wie gut mir Yoga doch eigentlich tut und dass mein Rücken vom Rumliegen am Sonntag schmerzt.
Also kombiniere ich grad beides. Achte auf meinen Biorhythmus, ohne mich in irgendeine Richtung zu schieben. Und gehe einfach mit dem Flow. Versuche es zumindest. 😉
So halte ich es übrigens auch mit meiner Ernährung: möglichst vegan, ohne Zucker oder Weißmehl. Die Betonung liegt auf Möglichst. Was das bedeutet, verrate ich dir in meinem Artikel über Soulfood.
7. Wirklich da sein – für dich und deinen Gegenüber
Wie oft treffen wir uns mit Freunden und sind mit den Gedanken woanders?
Wie häufig gehen wir zu unserem Partner nach Hause und sehen ihn doch nicht richtig?
Und wie oft sitzen wir auf einer Party und gehen bereits die nächste Wochenendplanung durch?
Der Roadtrip in Australien hat mir vollends vor Augen geführt, wie blöd es eigentlich ist, wenn man in seinem Gedankenstrudel versinkt und dem Partner oder Freund zwar physisch gegenübersitzt, aber nicht psychisch.
Man kann kaum für den anderen da sein, Stimmungen nicht erkennen, ihm nicht helfen oder mit ihm lachen. Man ist nicht in der Lage, sich in den anderen hineinzuversetzen, weil man nur bei sich selbst ist. Und wieder nicht: Denn Genießen, das tut man in diesem Augenblick ja auch nicht.
In einem Buch habe ich gelesen, dass der wichtigste Zeitpunkt JETZT ist, und die wichtigste Person in deinem Leben, dein GEGENÜBER.
Das stimmt.
Umso wichtiger ist es, auch im Streit zuzuhören, Konflikte erwachsen zu diskutieren und nicht wegzulaufen.
In jedem Streit kann dann viel Gutes liegen, wenn wir Emotionen zulassen und uns die Chance geben, einander besser kennen zu lernen.
Und zwar nicht nur den anderen, sondern auch sich selbst.
8. Draußen sein
Frische Luft durchlüftet Körper und Geist.
„Landschaftsmediziner haben herausgefunden, dass der älteste Teil unseres Gehirns, das limibische System, auf bestimme landschaftliche Elemente mit sofortiger Entspannung reagiert. Dazu gehören stehende und ruhig fließende Gewässer, Blüten, Bäume mit ausladenden Kronen, Lichtungen und Wiesen mit verstreuten Bäumen und Büschen und ruhige Orte, an denen Vögel singen und Pilze wachsen“, so steht es in der Dezember-Ausgabe der Happinez (2017).
Und ja, auch hier in Deutschland gibt es frische Luft. 🙂 Mein Augenöffner war diesbezüglich Glück im Unglück:
Ich konnte bzw. wollte mir dieses Jahr keine Fahrkarte mehr für Bus und Bahn kaufen. Dadurch ging ich Fahrradmuffel auch im Winter meine Wege zu Fuß, sparte Geld und merkte: ich bin nicht nur teilweise schneller am Ziel, sondern auch viel ausgeglichener.
Und sonst? Ich liebe es, auf Festivals zu zelten, weil ich dann ein verlängertes Wochenende nonstop draußen sein kann. Ich liebe gemächliche Sonntagsspaziergänge und auch im Winter einfach mit dicken Decken VOR der Bar und nicht IN ihr zu sitzen …
9. Minimalistisch(er) und bewusster leben
Auf einem Roadtrip hat man nicht viel Gepäck dabei, auch nicht auf einer langen Reise. Und je langsamer man reist, desto stärker trägt dieses Gesamtpaket dazu bei, mit den eigenen Emotionen in Kontakt zu kommen und diese zuzulassen.
Denn je weniger wir besitzen, planen oder haben wollen, desto weniger Entscheidungen müssen wir tagtäglich treffen, desto weniger sitzen wir in unseren Gedanken fest – und wägen ab, hin und her, bereuen, hadern, planen.
Und desto stärker spüren wir unser Bauchgefühl, unsere Gefühle und das, was uns wirklich gut tut. Wir befreien uns selbst.
Jedes Mal aufs Neue genieße ich diese Freiheit auf Reisen, und nehme deshalb ganz bewusst immer weniger Gepäck mit. Und auch Zuhause versuche ich, das Bewusstsein für den Augenblick, die Umwelt, die Menschen und die Dinge, die mir wirklich am Herzen liegen, aufrecht zu erhalten.
In diesem Artikel habe ich mehr dazu geschrieben: Zurück von der Weltreise – auf der Suche nach Freiheit und Glück im Alltag
Vor allem aber versuche ich, das Leben spielerisch zu sehen, als ein Leben, das nur mir gehört und von mir gefühlt und gelebt werden will.
Und das, das geht nicht schnell.
Was macht deine Spielwiese? Tobst du noch?
Ich freue mich, wenn du mich an deinen Gedanken teilhaben lässt. Gern per Facebook, Mail (sina@soulflake.de) oder einfach unten in den Kommentaren. Alles Liebe für dich, Sina
PS: Wer meine Tipps zum Australien-Roadtrip nachlesen mag, findet diese auf meinem Reiseblog Ferndurst: Westaustralien Route – meine Tipps und Highlights für einen Roadtrip.
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