Emotionen zulassen heißt loslassen - wie hier in Australien

Wie lässt man los, was einen hält?

Die Gedanken rasen. Sie graben tief, bis sie alles sind und draußen nichts. Es ist eng, dumpf und schmerzt hier drin; wir schnappen nach Luft und fühlen es nicht.

Weil wir zu oft gefangen sind in unseren Köpfen, festhalten an Vergangenem, bereuen, hadern, uns zurücksehnen – oder endlos treiben, im Wünschen, im Morgen, im Irgendwanneinmal.

Dann wenn alles passt, wenn alles stimmt, ja dann werde ich, ich will so gern …

Nur nicht jetzt, nur nicht heute. Alle anderen können, nur ich nicht. Weil heute alles schmerzt.

Und so treiben wir und strudeln wir im offenen Meer, schwimmen gegen die Wellen, anstatt uns treiben zu lassen und das feine Blau zu sehen, das jetzt schon da ist, und uns sicher trägt.

Weil wir gelernt haben, blind zu sein und nicht zu sehen, taub zu sein und nicht zu hören, hilflos zu sein und nicht zu wagen, immer nein zu sagen und nicht ja zu sagen, oder nur ja zu sagen und zu wenig nein, zu leiden und nicht loszulassen.

Und so vergeht der Moment tagein tagaus, wenn wir uns nach etwas anderem sehnen, das gerade nicht ist. Und ist das andere da, sind wir bereits woanders.

3 Schritte vorwärts, 3 Schritte zurück, nur nicht Stehenbleiben – und loslassen.

Warum nicht Stehenbleiben?

Der Mensch ist gemacht, um zu leiden, erkannte einst Buddha. Und damit meinte er nicht nur körperliches Leid, sondern auch den Schmerz, der entsteht, wenn wir alles festhalten und gleichzeitig immer weiter wollen, nach immer mehr streben. Denn das ist nicht möglich. (Mehr dazu: Warum alles zu haben nicht glücklich macht, eine Geschichte)

Unser menschliches Leiden kann somit auch als Frustration beschrieben werden, als ein Gefühl von Unvollkommenheit, von Nie-genug.

Buddha ließ seinen Reichtum hinter sich, begann zu meditieren, irrte über sechs Jahre lang durch die Welt auf der Suche nach der Erleuchtung und fand sie erst, als er sich vom Körper und Denken löste, als er nichts mehr wollte und nichts mehr suchte, sondern schlichtweg nur noch da war.

So beseitigte er sein Leiden, lebte im Moment, machte sich frei von der Vergangenheit und der Zukunft, beobachtete sich in der Meditation, kam seinen Gefühlen auf die Spur – und ließ alles ziehen.

Das können auch wir, im Kleinen, ohne dass wir unser Leben komplett umkrempeln, oder unsere Gefühle wegsperren. Gar nicht, im Gegenteil.

Wir können aufhören zu leiden, indem wir zulassen, was ist und loslassen, was gestern war oder Morgen sein könnte. So schwer das auch ist.

Das ist mir wieder einmal auf der Reise, an einem paradiesischen Ort bewusst geworden. Dort, wo alles ganz wundervoll war, genau so, wie ich es immer wollte, wie ich es mir immer vorstellte, damals als ich noch in Hamburg saß, und die Entscheidung für die große Reise traf.

Weißer Strand, die Hütte am blassblauen Wasser, kein Internet, nicht mal Strom, nur die Sonne und das Essen und die Ruhe – jetzt war all das da, doch innerlich tobte es in mir.

Ich hatte Heimweh, bekam Angst, sehnte mich zurück, nach dem alten Leben; dachte ich müsste jede Sekunde länger auf Reisen platzen, verurteilte mich für meine Gefühle und dafür gegangen zu sein.

Kurzum: Damals in Hamburg sehnte ich mich nach dem perfekten Ort auf Reisen. Und auf Reisen sehnte ich mich zurück nach Hamburg.

Schon wieder (das erste Mal hatte ich diese Situation gleich am Anfang meiner Reise).

Und dann machte es plopp – again

Ich schmiss meine Erwartungen über Bord, hörte auf, auf irgendein Gefühl zu warten, sondern begann, mich der Realität zu stellen und mich konstruktiv mit meinen Ängsten auseinanderzusetzen.

Ich übernahm Verantwortung für mich selbst und machte mich nicht länger abhängig von den Umständen. Weil es nie das Gefühl oder der Ort ist, was stimmen muss, um anfangen zu können.

Mit was denn anfangen, fragst du?

Die Antwort: Vor allem mit dem, was uns gut tut. Und aufhören mit dem, was nicht.

Wer darauf wartet, dass die Umstände „perfekte“ Voraussetzungen bieten, damit wir etwas verändern oder mit etwas anfangen können, wird wahrscheinlich ewig warten.

Den perfekten Moment gibt es nicht. Immer wird etwas fehlen, wenn wir nicht beginnen, vom Kopf in den Körper zu rutschen und zu handeln statt zu denken.

Es ist das, was wir draus machen. Immer.

Mit jedem Moment kommt ein neuer, mit jedem Schritt ein zweiter. Was entschieden ist, ist entschieden. Was vergangen ist, ist vergangen. Was kommt, werden wir sehen.

Nur wenn wir uns an etwas heften, was mal war oder sein könnte, verstreicht das Jetzt, und wir leiden, und leiden, und werden immer weiter leiden, und das irgendwann bereuen, weil die Zeit so rast.

Der buddhistische Mönch Ajahn Chah sagte einst:

„Wir haben Angst loszulassen, wir haben Angst, wirklich zu leben, weil leben lernen loslassen lernen bedeutet. Es liegt eine tragische Komik in unserem Festhalten: Es ist nicht nur vergeblich, sondern es beschert uns genau den Schmerz, den wir um jeden Preis vermeiden wollten.“

Also ließ ich los, ohne zu vergessen. Im Gegenteil

Was mir half, war die Erkenntnis, dass etwas hinter sich zu lassen, nicht bedeutet, es vergessen zu müssen oder verloren zu haben. Es ist immer alles da. Alle die Erinnerungen, all das Erlernte.

Alles was wir erleben, lässt etwas in uns zurück, macht etwas mit uns, lässt uns wachsen.

Nur wenn wir uns zu sehr an etwas Vergangenem oder Zukünftigen binden, ketten wir uns selbst an einen Zaun.

Loszulassen bedeutet nicht, dass einem alles egal ist oder man alles aufgibt oder keine Träume mehr hat.

Loslassen bedeutet zulassen, sich selbst, seine Gefühle, den Moment, auch wenn es schmerzt.

Zulassen, dass man Fehler macht.

Zulassen, dass alles Zeit braucht.

Zulassen, dass es gute und schlechte Tage gibt.

Und zulassen, dass wir alles in der Hand haben, und jetzt damit anfangen können, uns das zu geben, was wir brauchen.

Wer zulässt, lässt los. Und ist frei. Im Kopf. Und das ist alles, was zählt.

„Du kannst nicht das nächste Kapitel deines Lebens beginnen, wenn du ständig den letzten Abschnitt wiederholst.“ – Ernst Ferstl

11 Tipps: Wie lässt man los?

Jeder Mensch ist unterschiedlich. Wir alle haben verschiedene Erfahrungen im Leben gemacht und dadurch Werte und Muster entwickelt, die uns mal mehr, mal weniger gut tun. Manches davon können wir schnell loslassen. Doch manches klebt an uns wie Kleister.

Deshalb ist es wichtig, dass wir zunächst erkennen, was uns festhält und schmerzt und warum wir glauben, es nicht zu- und loslassen zu können – ohne uns dafür zu verurteilen.

Warum fühle ich mich so gefangen, was macht mir Angst?

Diese Erkenntnis und Akzeptanz, auch wenn zunächst alles beim Alten bleibt, ist der erste Schritt zur Veränderung.

Um loslassen zu können, brauchen wir vor allem Geduld.

Doch am Ende sind es nicht die Dinge, die wir bekommen, die uns zu dem machen, der wir sind, sondern die Dinge die wir zu- und loslassen können, schrieb Jorge Bucay in seinem Buch „Komm, ich erzähl dir eine Geschichte*“.

Ich finde, das hat er gut gesagt.

Das kann bei diesem Prozess außerdem helfen:

  1. Schreibe all das auf, woran du festhältst und merkst, dass es dir im Grunde nicht gut tut.
  2. Schreibe auf: Was gewinnst du, wenn du weitergehst? Was gewinnst du, wenn du festhältst?
  3. Begegne deinen Ängsten und deinen Gefühlen mitfühlend, wenn du (radikale) Entscheidungen getroffen hast oder kurz davor bist, sie zu treffen. Denn du erlebst gerade einen Verlust. Deshalb fühlt es sich meist schmerzhaft an, wenn wir mit Gewohntem brechen und wir wundern uns, dass wir uns nicht befreit fühlen. Doch nur wenn wir uns und unsere Gefühle akzeptieren, im Moment bleiben und auf uns vertrauen, können wir weitergehen. →Mehr dazu: Die Angst vor Veränderung und wie wir sie besiegen können
  4. Hör auf deine Intuition, sie weiß am besten, was gut für dich ist.
  5. Sprich mit Menschen, die eine ähnliche Situation erfolgreich gemeistert haben und tausch dich aus.
  6. Lies Bücher zu deinen Themen und lass dir Mut machen.
  7. Yoga und Meditation helfen, einen stärkeren Bezug zum eigenen Körper und den Emotionen zu bekommen und im Moment zu leben. →Mehr dazu: Emotionen zulassen: Wie das Roadtrip-Gefühl dich näher zu dir selbst bringt
  8. Ein Tagebuch mit dem Titel „Das war heute toll: …“ hilft, das Gute in den kleinen Dingen zu sehen und sich nicht in Angst machenden Gedanken zu verlieren.
  9. Vermeide Menschen, die sehr ähnliche Ängste haben wie du und nicht loslassen können.
  10. Sage Selbstvorwürfen den Kampf an und stärke dein Selbstwertgefühl. →Mehr dazu: Wie du in 9 Schritten dein Tief überwinden kannst – uns stärker hervorgehst
  11. Befreie dich von Erwartungen und große Abhängigkeiten – ob es um die Zukunft, Menschen, Orte oder Situation geht. Das ist nicht leicht, doch sich von dieser Last zu befreien, ist vielleicht einer der größten Schritte in die persönliche Freiheit.

Alles Liebe für dich, Sina


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