Selbstständig Erfahrungen - da ist auch Angst

Selbstständig – Erfahrungen: Die Anfänge und worüber niemand redet

Freiheit, Spaß ohne Ende, Glück und ordentlich Schotter – häufig wird all das mit Selbstständigkeit aka Freiberuflichkeit assoziiert. Das mag in manchen Fällen auch der Wahrheit entsprechen. Doch Hürden gibt es zuhauf, besonders am Anfang. Darüber reden nur wenige. Gastautorin und Freelancerin Cora schreibt jetzt offen über das Thema „Selbstständig – Erfahrungen“. Nicht, um vor dem Schritt in die Selbstständigkeit zu warnen, sondern, um zu zeigen: Angst zu haben, ist vollkommen natürlich. Dass nicht alles reibungslos läuft, sowieso. Schuld daran sind wir deshalb noch lange nicht, zu „blöd“ oder „unfähig“ schon gar nicht. Weil Stolperfallen nunmal dazu gehören. Ein Appell an mehr Ehrlichkeit, Mut zur Lücke und dafür, voneinander zu lernen!


Selbstständig – Erfahrungen von Cora R.

Seit Wochen kann ich nicht schlafen. Wache nachts auf, schreibe To-Do-Listen um 4 Uhr morgens und finde keine Ruhe. Ich bin euphorisch, habe Angst, dann bin ich wieder entschlossen und voller Tatendrang – und werde dann doch wieder von der Realität gebremst.

„Wieso hat mir das vorher niemand gesagt?“

Vor nicht allzu langer Zeit habe auch ich mich dazu entschlossen in die Selbstständigkeit zu gehen.  Ich bin Event Managerin und bin zuständig für die Entwicklung, Planung, Organisation, Durchführung und Nachbereitung von internationalen Veranstaltungen.

In den letzten neun Jahren habe ich schon zwei Mal mit dem Gedanken gespielt es als Freelancerin zu probieren. Beide Male habe ich ein sehr gutes Angebot für feste Anstellungen erhalten, weswegen ich den Wunsch der Selbstständigkeit erst einmal verworfen habe.

„Aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben“ – dachte ich.

2018 sollte es mit der Aufschieberei ein Ende nehmen. Nach intensiven Überlegungen, Nachdenken über Pros und Contras, mehreren Gesprächen mit Freunden, Familie und Kollegen habe ich schlussendlich meinen Vertrag gekündigt.

Ich hatte zwei anstrengende Jahre hinter mir – privat als auch beruflich. Daher entschloss ich mich dazu mir zunächst eine ausgiebige Pause über drei Monate zu gönnen. Diese wollte ich nutzen um Privates aufzuholen, zu verreisen und vor allem: Mich perfekt auf die Selbstständigkeit vorzubereiten.

Ich bin eine sehr strukturierte und durchgeplante Person. Ich erstelle für jedes Vorhaben Excel-Listen, ich vergleiche stundenlang und wäge ab. So bin ich die Selbstständigkeit auch angegangen: Ich wollte alles sofort richtig machen und das so effektiv und kostengünstig wie möglich.

Ich habe mit meinem Steuerberater über mein Vorhaben gesprochen, bin diverses Informationsmaterial durchgegangen, habe alle Anträge vom Finanzamt ausgefüllt und schlussendlich die Unterlagen bei einer Fachkundigen Stelle eingereicht.

Vier Stationen. Vier Fehler. Eigentlich vier plus eins.

Der Plus-eins-Fehler ist der wohl meist gemachte Fehler: Informationen, die man bekommt, blind zu glauben. Ich habe mich auf die Aussagen der Beratungsstellen verlassen und genau nach Anweisung abgearbeitet. Wer konnte denn ahnen, dass ich nur halbe und teilweise falsche Informationen bekommen habe? Und: Wem kann man den nun glauben?

Jeder neue Termin brachte weitere oder komplett gegenteilige Informationen und nach jedem Termin fühlte ich mich unglaublich dumm, naiv und so hilflos. Ich dachte immer „Wieso bekommen das alle so gut hin und wissen, was sie tun sollen und wieso fällt es mir so schwer?“ Ich war doch so gut vorbereitet, informiert, habe Berater hinzugezogen und auf den Kopf gefallen bin ich eigentlich auch nicht.

Was hätte ich denn sonst noch tun können?

Meine zwischenzeitige Antwort war ganz einfach: Ich habe zu viel getan. Diese ganze Vorbereitung auf zig verschiedene Szenarien. Es war viel zu viel, woran ich denken wollte, was ich einplanen und bedenken wollte. Denn am Ende sind Behörden und alles, was dazu gehört nicht so planbar wie meine Excel-Listen.

Ich wurde überrascht, enttäuscht und zurück geworfen. Bis dorthin, dass ich geglaubt habe, die Vorbereitung, die mich Wochen gekostet hat, sei völlig sinnlos gewesen.

All das hat mich hierher gebracht. Ich weiß nun ganz viel und doch wieder gar nichts. Hinzu kommen die täglich wechselnden Ängste „Ob ich Aufträge bekomme?“ – „Was ist, wenn niemand mit mir arbeiten möchte?“ – „Was mache ich, wenn der Auftrag platzt?“ – „Was, wenn ich alle Unterlagen falsch ausgefüllt habe und Strafe zahlen muss?“ –

Strafe wofür? Weiß ich auch nicht. Ich weiß nämlich leider wirklich nicht so viel.

Und dann überlege ich: „Was ist der Worst-case?“ Richtig: Zurück in die Festanstellung. Und ist das so schlimm? Ich war nie unzufrieden in der Festanstellung. Klar, hier und da meckert man mal, aber das gehört dazu und macht es nicht zu etwas Unerträglichem. Und dennoch ist die Vorstellung, zurück in die Festanstellung zu gehen, für mich mit einer der größten Ängste verbunden. Das würde nämlich bedeuten, dass ich versagt habe. Gerade ich, das geht doch nicht! Die von der alle sagen, dass sie auf jeden Fall mit Jobs überrannt wird. „Wenn es einer schafft, dann Du“ – Hallo Druck, komm dazu und setz Dich gerne zu meinen Ämter-Formularen!

Ich war kurz davor, mich zu ergeben. Denn mein Ziel war es, alles alleine zu schaffen. Kann ja nicht so schwierig sein. War es aber. Und ich konnte nicht glauben, dass ich alleine mit der Angst bin. Deshalb bin ich los und habe alle möglichen Leute gefragt, wie sie es geschafft haben. Selbstständige, Firmeninhaber, ehemalige Freelancer. Und was muss ich da hören?

Alle verstehen mich. Jeder sagt mir das Gleiche „Das ist ganz normal“ – „Ich habe das bis heute nicht verstanden“ – „Ich habe das alles machen lassen, hätte das eh nicht kapiert“ – „Ich weiß bis heute nicht, was ich da tue“ – aha.

Und da frage ich mich, „Wieso redet denn niemand darüber?“

Man hört immer nur, dass es die beste Entscheidung ist/war. Dass man so frei ist. Dass es so Spaß macht und so einfach ist. Die Aufträge von ganz alleine kommen. Und und und….

Ganz ehrlich: Es ist nicht einfach. Das fängt bei der Entscheidung an, in die Selbstständigkeit zu gehen. Geht weiter in die Phase in der man sich fragt, ob es richtig war – und direkt über in die Zeit der andauernden Zweifel. Die Wahrheit ist auch, dass alle Menschen diese Ängste und Gefühle hatten und haben. Aber wahrscheinlich ist es wie bei einer Geburt, man vergisst den Schmerz und redet nur über die schönen Seiten.

Ich bin noch nicht durch mit den Vorbereitungen, bin noch nicht schlau geworden aus all den Formularen. Es wird jeden Tag besser und tatsächlich merke ich Tag für Tag, dass nichts umsonst war und mich am Ende nur auf Weiteres vorbereitet. Außerdem habe ich gelernt, dass es immer Fragezeichen geben wird. Die Zweifel und Ängste sehr wahrscheinlich auch von Zeit zu Zeit wieder kehren werden. Dass es allen so geht. Dass ich nicht alleine bin mit meinen Gedanken. Und dass das eben dazu gehört. Und es genau deswegen nicht so einfach ist. Und genau deswegen eben nicht jeder selbstständig ist. Es gehört eine riesige Portion Mut dazu und direkt danach folgt die große Dosis Selbstvertrauen und Entschlossenheit – Ehrgeiz kann auch nicht schaden. Vor allem habe ich aber gelernt, dass man keine Angst haben sollte – nur Respekt.

Das alles habe ich nun verstanden und hoffe, dass ich durchhalte – denn es soll sich ja lohnen.

++ Disclaimer: Sie hat durchgehalten, es hat sich gelohnt und ein bisschen schlauer ist sie auch. Aber nur ein bisschen. Fortsetzung folgt. ++


Hinweis: Jeder Mensch geht mit Herausforderungen im Leben anders um, manche haben Angst, manche nicht. Dieser Artikel richtet sich vor allem an die Menschen, die sich mit ihrer Angst bzw. Unsicherheit allein fühlen. 

Zwei weitere Artikel zum Thema „Selbstständig – Erfahrungen“:

Für alle, die bereits selbstständig sind und irgendwie feststecken, kann ich diese Artikel empfehlen (geschrieben vor allem für Führungskräfte, aber genauso passend für Einzelunternehmer:innen):

Selbstständig Erfahrungen - da ist auch Angst
„Do what you love?“, ja, unbedingt! Ein Selbstläufer ist das trotzdem nicht. Genau deshalb verliert man schnell den Spaß und die Freude und naja, das fühlt sich dann so gar nicht gut an. Kann es aber wieder, sobald wir etwas von Erwartungen und all dem Druck loslassen und nicht denken, dass alles perfekt funktionieren muss. Weil es das niemals tut, nicht bei uns und nicht bei anderen. Und: Weil gut Ding eben doch manchmal Weile haben will. So! – Sina

An dieser Stelle mache ich (Sina) jetzt einfach mal frech Eigenwerbung. 

105 Gründe Thailand zu lieben - der Reisefühler mit Herzklopfmomenten und Insidertipps

Denn ich bin ja auch selbstständig und habe ein Buch geschrieben, über Thailand, ein Land, das mein Leben verändert hat. „105 Gründe, Thailand zu lieben“ heißt es und ist jetzt auf Ferndurst erhältlich.

Warum der monatelange Schreib- und Rechercheprozess herzlich wenig mit meinem Schriftstellertraum zu tun hatte (und trotzdem so wertvoll war), bald hier auf Soulflake.


Wir freuen uns sehr, wenn ihr eure Gedanken mit uns teilt. Seid ihr selbstständig – Erfahrungen lesen wir immer gern! Auch Fragen beantworten wir, wenn wir es denn können.^^

Alles Liebe, Sina und Cora

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über

Schule, Studium, Arbeit, immer weiter, immer mehr. 2016 habe ich Stopp gesagt, meinen Job gekündigt und bin in die Welt gezogen. Das war die beste und härteste Entscheidung meines Lebens. Denn ich bin: Mutig & angstlich. Ferndurstig & heimwehplagt. Kreativ & perfektionistisch. Rebellisch & hochsensibel. 2 Herzen in einer Brust? Ich hab tausend. Und darüber schreibe ich, für dich. Weil wir alle uns die Freiheit nehmen sollten, wir selbst zu sein.

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